- Bericht PASA SÖDERSTRÖM -
In Janossomorja, unserem wichtigsten Reiseziel fühlte man sich bei Freunden angekommen - herzliche Umarmungen der Wiedersehensfreude, ein warmes Willkommen für die gern gesehenen Gäste aus Illingen. Die zunehmend intensiven Kontakte auf Vereins-und Verwaltungsebenen, aber auch daraus entstandene Privatkontakte, bilden eine gute Basis, auf der sich wertvolle und verlässliche Netzwerke für eine dauerhafte Freundschaft oder gar Städtepartnerschaft aufbauen lässt. Davon können viele profitieren - von den Schulen bis zu den örtlichen Betrieben. Die gegenseitigen Besuche bereichern immer und regen neue Denk- und Umdenkprozesse an. Janossomorja hat 6000 Einwohner und ist traditionell von Landwirtschaft geprägt. In den Randbezirken der Stadt haben sich etliche ausländische Unternehmen wie Hipp, ABM, Leier, Dr. Oetker usw. angesiedelt. Ein Windpark der Firma BAWAG wird hier gerade errichtet.
Während unseres Besuches lief das Stadtfest von Janossomorja, das ungemütliche Wetter vertrieb leider die meisten Besucher jedoch schnell in die örtlichen Kaffees und Restaurants. Der offizielle Empfang für die Gäste aus Illingen fand am 20. September in der Grundschule von Janossomorja statt. Bürgermeister Dr. Kurunczi betonte in seiner Begrüßungsrede die Bedeutung der Freundschaft zu Illingen und sprach sich für weitere Intensivierung der Kontakte auf allen Ebenen. Für die Kontakte auf der Tanzfläche sorgte während des ganzen Abends eine Tanzband, die sich mit den deutschen Schlagern gut auskannte. Die Freundlichkeit der Ungarn, sowie die unglaubliche Fülle an Spezialitäten der ungarischen Küche und des Weinkellers, werden beim Gegenbesuch in Illingen schwer zu übertreffen. Die Einladungen der örtlichen Künstlerin und Galeristin Edit Kozma und an Jagd interessierten Geschäftsführer der Firma Szemes Müvek, Imre Fazekas, ergaben für Bürgermeister Eiberger und die Vertreter der Städtepartnerschaft Illingen erfreuliche Resultate. Frau Kozma bot ihre Teilnahme an der für nächstes Jahr in Illingen geplanter Ausstellung zum „Fall des Eisernen Vorhangs“ an, Herr Fazekas lud Illinger zur Jagd im Dezember ein. In Bürgermeister-Gesprächen wurden, unter anderem, die geplanten gegenseitigen Besuche der Gemeinderäte im kommenden Jahr weiter konkretisiert. Um den angestrebten Schüleraustausch einen kleinen Aufwind zu ermöglichen, hatte der Partnerschaftsverein ein Geschenk an die Schüler der Grundschule. Im Beisein der beiden Bürgermeister übernahm der Schulrektor, Herr Bella Zsolt, das Geldgeschenk (400 Euro) des Partnerschaftsvereines an die Schule. Angenehm überrascht, versprach Herr Zsolt sein Bemühen um das Zustandekommen eines Schüleraustausches zu verstärken.
Der Städtepartnerschaftsverein Illingen organisierte zwischen 18. und 21. September eine Reise in den Nordwesten Ungarns, den historisch und kulturell bedeutendsten Teil des Landes. Herr Schäfer brachte die 29 Reisenden im angenehmen Tempo über Nürnberg, Passau, Linz und Wien ans 800 km entferntes Ziel nach Mosonmagyarovar. Dem eventuell vorhandenen Heimweh der Reisenden begegneten Bürgermeister Eiberger und unser Reiseleiter, Herr Gotschal (gebürtiger Slowake und spricht Ungarisch) mit wohlschmeckendem schützinger Sekt und frischen Brezeln. Mosonmagyarovar liegt im äußersten Nordwesten Ungarns, Landkreis (Komitat) Györ-Moson-Sopron, gerade 75 km von Wien entfernt. Dieser Standort-Vorteil wird von Wirtschaftsbossen und Dental-Touristen (angeblich gibt es dort etwa 200 Zahnarztpraxen) aus den Westen gleichermaßen geschätzt. Das Hotel Minerva in Mosonmagyarovar diente uns als „Basislager“ während des gesamten Aufenthaltes - im Hotelwettbewerb „Wer hat das kleinste Bad im ganzen Land“ hätte das Hotel sicherlich eine Chance auf die Bestplazierung. Erwähnenswert auch die „unerbittlichen und unbestechlichen“ Kellner des Hotels – entgegen anders lautendender Meinungen, waren sie nicht an der Gewinnoptimierung interessiert und schlossen die Bar leider pünktlich um 23 Uhr.
Unsere Besichtigungziele in chronologischer Reihenfolge:
Von der Geschichte der Brücke von Andau inspiriert, schrieb James A. Michener in seinem Buch „Brige at Andau“ folgendes: „Müsste ich je flüchten, so hoffe ich, dass es nach Österreich sein kann“. Als Berichterstatter verfolgte Michener damals die dramatischen Ereignisse aus Andau. Zwischen Oktober 1956. und November 1957. flohen 200 000 Ungarn von der blutigen Umarmung der „sowjetischen Brüder“, über 70 000 davon über der Brücke von Andau. Die Andauer und Österreich zeigten große Menschlichkeit, gaben den Flüchtenden Kraft und Hoffnung. Heute stört nur der Wind die Stille hier im Hansag-Waasen, einem teil des Nationalparks Neusiedler See. Einser-Kanal als Grenze zwischen Ungarn und Österreich – wir schlendern über der neuen kleinen Holzbrücke, die 1996 gemeinsam von Ungarn und Österreich wieder errichtet wurde. Die ursprüngliche Brücke sprengten 1956 die ungarischen Soldaten. Der 9 km lange Fluchweg von der Brücke bis Andau säumen stein- und holzgewordenen Reflexionen der Künstler aus aller Welt auf das traurige Thema Flucht und Vertreibung. Bei betrachten der Figuren stellt sich die Frage, wie schmal der Grat zwischen Trauma und Traum ist und wie reagieren die Menschen heute auf Flucht und Vertreibung. Wie fühlt man sich an einem kalten Oktobermorgen, mitten in nirgendwo auf einer kleinen Holzbrücke stehend, das Herz voller Erinnerungen, die Augen und Verstand voller Angst und Ungewissheit? Die Freilichtgalerie entlang des andauer Fluchweges könnte an zu vielen Orten dieser Welt stehen. Der Wachtturm an der österreichischen Seite erzählt in Texttafeln von der Geschichte der Brücke und zeugt von dem, was die Menschen verbindet. Das Gerippe des ungarischen Wachtturmes zeugt von dem was trennte. Nur noch die seltenen Vögel suchen und finden hier die Zuflucht.
„Was der Kaiser kann, kann ich auch“ war das Lebensmoto von Nikolaus Esterhazy „Dem Prachtliebenden“ (1714-1790). Zwischen 1760 und 1767 ließ er das Barockschloss der Esterhazy am Ufer des Neusiedler Sees (Ungarisch Fertò tò) in Esterhaza errichten, damals das schönste und prächtigste Schloss Ungarns. Viel später, im Jahr 1950, nannten die Kommunisten den Ortsnamen Esterhaza in Fertöd um – die Reminiszenz an das ungeliebte Geschlecht der Esterhazy war ihnen zu deutlich. Das Schloss ähnelt architektonisch dem Schloss Schönbrunn zu Wien, nicht verwunderlich beim gleichen Vorbild – das Schloss Versailles bei Paris Das Ehrenhof mit Delphinbrunen und der fächerförmigen Treppe umrahmt von hundertjährigen Eiben sind beliebtesten Fotomotive des Schlosses. (Unser Bild)
Die Führung durchs Schloss zeugte von einem Ort der feinen Künste und prächtigsten Bälle des Hochadels. Der Spiegelsall, der reichlich mit Gold verziert war, die chinesischen Salons, Gemälde, Kostbare Wandteppiche, Porzelansammlungen ließen die ganze Pracht nur noch erahnen. Der Komponist Joseph Haydn (1732-1809), komponierte hier in 29 Jahren unzählige Werke, darunter die berühmte „ Abschiedssymphonie“. Mit dem Tod des Prachtliebenden Fürsten ging die Glanzzeit des Schlosses vorbei. Die wertvolle Gemälde- und Kunstsammlung des Schlosses wurde von ungarischem Staat 1860 erworben und bildete den Grundstock der Ungarischen Nationalgalerie. Die russischen Soldaten die viel später kamen, waren von der Pracht weniger beeindruckt – sie plünderten und zerstörten alles was an Esterhazy-Zeit erinnerte. Selbst Parkettböden fanden nur noch als Brennholz eine Beachtung. Zeitweise waren hier ein Lazaret und ein Getreidemagazin unterbracht. Die heute zur Besichtigung stehenden Räume sind weitgehend orignal-geträu restauriert und ausgestattet. Das Schloss wird kontinuierlich restauriert und dient heute als noble Kulisse seinem alten Zweck – es werden hier wieder prächtige Feste und wichtige Ereignisse gefeiert und Haydn- Konzerte gespielt. Das Schloss ist auch Standort einer ungewöhnlichen Fachschule für Gartenbau – in einer Symbiose aus österreichischem und ungarischem Schulmodel werden hier Schüler abwechselnd in beiden Landessprachen unterrichtet.
Das Wahrzeichen der slowakischen Hauptstadt Bratislava (Pressburg, Pozsony), die mächtige Burg hoch über der Donau, einst Sitz der ungarischen Könige und St. Martinsdom (Krönungskatedrale) gegenüber sind eindrucksvollste Zeugnisse der besonders dicht verwobenen Geschichte Ungarns und der Slowakei.Bratislava erlebten wir als eine pulsierende Stadt im Aufschwung, die sich international liebenswert als The Small Big City präsentiert. Unsere Stadführerin zeigte uns die schön restaurierte Altstadt – die Adelspaläste, heute oft Botschaftssitze oder teuere Modegeschäfte und Restaurants, die erste ungarische Universität aus 1465, das Primatialpalais aus 1778, bekannt durch den Vierten Pressburger Frieden (Österreich verlor dadurch Tirol und Dalmatien), heute nobler Sitz des Bürgermeisters und der Städtischen Gemäldegalerie, das Alte Rathaus, heute Museum, Michaelstor, Hviezdoslav-Platz, das alte National Theater, das ehrwürdige Carlton Hotel. Wer beim dinieren aus 80 m Höhe auf die Burg und die vorbeifahrende Schiffe an der Donau gerne schauen möchte, sollte sich ein Platz im UFO-Restaurant an der Neuen Brücke reservieren lassen. Außerhalb der Altstadt begegnet man vielerorts noch den ungeschminkten Zeugnissen der kommunistischen Vergangenheit. Die Meinung ihrer Landsleute über die Einführung des Euro im kommenden Jahr, kommentierte die Stadtführerin lapidar mit einer Import- Redewendung aus Deutschland – Euro ist Teuro.
Unser letztes Besichtigungsziel, die Erzabtei St. Martin in Pannonhalma (gegründet im Jahr 996), erhebt sich weit sichtbar über das flache Land. Die Benediktinererzabtei Pannonhalma ist das bedeutendste und älteste Kloster Ungarns, seit 1996 ein Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Die reiche Geschichte des Heiligen Berges Pannoniens ist in den verschiedenen Baustielen des Klosters deutlich erkennbar. Von romanisch-gotischen Stil der Basilika und der Krypta bis zum Refektorium in Barock- Stil und schließlich die berühmte klassizistische Bibliothek, mit ihren über 300 000 wertvollen Bänder und Handschriften. Hier in Pannonhalma wird auch das älteste Zeugnis der ungarischen Sprache aufbewahrt. In der Gründungsurkunde der Abtei von Tihany findet man im lateinischen Text auch etwa 100 Wörter in der ungarischen Sprache. Die Gegend von Pannonhalma ist von Weinreben geprägt – aus im Leben der Benediktiner Mönche ist Weinanbau seit tausend Jahren ein fester Bestandteil des Alltags. Am Klostergelände befindet sich auch das Benediktiner Gymnasium mit Internat. Hier an einer der angesehensten Schulen Ungarns werden 300 Schüler von 50 Mönchen unterrichtet.
Unterwegs in Ungarn, bei Besichtigungen und beim einfachen Betrachten aus dem Bus, drängt sich einem der Gedanke an das Vermächtnis (eine Art politischen Testaments) des Staatsgründers, Königs Stephan (997-1038) an seine Magyaren: „Ein Land, dass nur einerlei Sprache und einerlei Sitten hat, ist schwach und gebrechlich“. Die Moderne und Tradition, Vorwerts und Rückwerts, Trabi und die teueren Wagen aus Deutschland, schicke Neubauten und schiefe, verschlafene Häuser mit alten Brunnen und Nutzgarten mit noch im Gebrauch stehenden Erdkellern, Abstieg und rasanter Aufstieg, Ungarisch, Deutsch, Slowakisch, Kroatisch, Rumänisch, herzliche Gastfreundschaft und wie neulich, Demonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit in Budapest, Paprika und Erotik-Videos nebeneinander im kleinen Supermarkt. In bemerkenswerter Unaufgeregtheit passt hier irgendwie alles viel besser zusammen als anderswo, definitiv keine einerlei.
Unser Heimweg prägte wieder ein Benediktiner Kloster – in Stift Melk machten wir ein längeres Zwischenstop und genossen dort das reichlich vorhandene kulturelle und kulinarische Angebot. Die Reise hat uns Janossomorja und Ungarn näher gebracht und manch einen auch zur nächsten (Bus)Reise in die Gegend animiert. Es bleibt Erinnerung an die Wichtigkeit der freundschaftlicher Beziehungen zu Menschen in anderen Ländern, an das Besondere unserer Besichtgungsziele und auch an all die kleinen amüsanten Ereignisse - an die Kellnerin und Würstchen in Passau, Tonis ungarisch, das als türkisch verstanden wurde, die schmackhaften Gänse-Spezialitäten im Kellergewölbe des berühmten Restaurants „Modry dom“ in einem Vorort von Bratislava oder die Witze des Bürgermeisters.
Pasa Söderström